Warum sollte man überhaupt eine Autofokus-Feineinstellung durchführen wollen? Gründe für unscharfe Bilder gibt es viele – Bewegungsunschärfe, Beugungsunschärfe, falsch fokussiert… Die meisten Ursachen für (ungewollte) Unschärfe liegen beim Fotografen und man kann sie leicht abstellen. Dies ist jedoch nicht so einfach, wenn die Fokus-Automatik der verwendeten Kamera versagt. Dies ist oft der Fall bei wenig Licht, kann jedoch auch an einer mangelnden Feinabstimmung zwischen Kamera und verwendetem Objektiv liegen. In diesem Fall kommt es entweder zum Front- oder Backfokus, bei dem der Autofokus der Kamera sein Ziel nicht exakt erfasst. Dies gilt vor allem wenn das klassische Phasenvergleichsverfahren genutzt wird.
Hochwertige DSLR wie die Canon EOS 6D bieten die Möglichkeit den pro Objektiv eine AF-Feinabstimmung vorzunehmen, idealerweise sowohl für den Weitwinkel als auch für den Telebereich.
Gründe für Front- bzw. Backfokus
Der Phasenvergleichsautofokus basiert auf einem Triangulationsverfahren, das die Scharfstelldistanz mathematisch ermittelt und dem AF-Motor des Objektiv direkt die ermittelte Entfernung mitteilt. Bei Fertigungstolleranzen beim Auflagemaß, dem Kamerarahmen oder den Bauteilen im Objektiv oder durch den Gebrauch entstandenen Mikroverformungen, kommt es schnell zu Fokussierungenauigkeiten. Diese sind üblicherweise konstant und für eine Kamera-Objektiv-Kombination spezifisch. Man spricht von einem Front- bzw. Backfokus. Liegt der Fokus konstant vor dem Motiv, wird dies Frontfokus genannt; liegt er stets hinter dem Motiv, spricht man von Backfokus.
Das Problem äußert sich vor allem im Telebereich bei der Offenblende, weil hier die Schärfentiefe am geringsten ist.
Schnelltest
Die von Canon empfohlene Testmethode ist simpel: Zuerst wird das Motiv (z.B. eine Tafel mit einem Siemensstern) im Autofokusbetrieb und anschließend manuell fokussierend abgelichtet. Dabei ist im Programm AV die längste Brennweite des Objektivs, die kleinstmögliche Blendenzahl, der One-Shot-Modus und der zentrale Kreuzsensor auszuwählen.
Hat das manuell fokussierte Bild eine höhere Auflösung, also lassen sich die Strahlen des Siemenssterns bis weiter zum Zentrum unterscheiden, liegt aller Wahrscheinlichkeit nach ein Fokusproblem vor.
Ich empfehle hier nicht manuell zu fokussieren, sondern im Life-View-Modus den Kontrastsuche-Autofokus zu verwenden und unbedingt ein Stativ einzusetzen.
Autofokus-Feineinstellung
Hat sich im Schnelltest gezeigt, dass ein (konstantes) Fokusproblem vorliegt, gilt es nun dieses genauer einzugrenzen und nach Möglichkeit zu beheben. Dazu verwendet man z.B. eine der zahlreichen im Internet herunterladbaren Fokus-Testcharts. Meine Version befindet sich hier:
Die Vorgehensweise ist bei allen Testcharts die gleiche:
- Testchart im 45°-Winkel zur Tischoberfläche aufbauen.
- Die Kamera auf der Höhe des Fokus-Punktes auf einem Stativ vor die Testchart stellen.
- Das Programm AV und die Offenblende wählen.
- Den Bildstabilisator ausschalten.
- One-Shot mit mittlerem Kreuzsensor einstellen.
- Automatisch auf den Fokus-Punkt der Testchart scharfstellen lassen.
- Selbstauslöser verwenden, um Vibrationen zu vermeiden.
Es empfiehlt sich, mehrere Distanzen zu messen und darüber zu mitteln. Meine Empfehlung hier ist die „Lieblingsdistanz“ und die Punkte 25% näher bzw. weiter entfernt. Begonnen wird mit der längsten Brennweite des Objektivs, da sich Fokus-Fehler hier besonders stark auswirken.
Liegt das Ausmaß des Front- bzw. Backfocus bei den Aufnahmen bei verschiedenen Entfernungen weit auseinander, sollte das Objektiv in die Reparatur. Ist dem nicht so, kann mit der AF Feinabstimmung begonnen werden.
Das Menü für die AF Feinabstimmung befindet sich im Cutom-Function-Menü „C.Fn II: Autofokus“. Dort kann für jedes Objektiv für den Weitwinkel und Telebereich ein Autofokus-Korrekturwert von -20 bis +20 eingestellt werden.
Nach jeder Anpassung gilt es wieder mindestens ein Testfoto zu machen und den jeweiligen Effekt zu überprüfen.
Nachdem der Telebereich überprüft wurde, gilt es die Messungen für den Weitwinkelbereich zu wiederholen, diesmal jedoch mit einer kürzeren Messdistanz.
Ist auch diese Kalibrierung abgeschlossen, sollte der Erfolg noch mit verschiedenen Brennweiten im mittleren Bereich kontrolliert werden. Ergibt sich trotz signifikanter Verbesserung im Tele- bzw. Weitwinkelbereich ein Front- oder Backfokus im mittleren Brennweitenbereich ist auch hier wieder ein Werkstattbesuch fällig, denn dann lässt sich der Fehlfokus nicht mit Boardmitteln beheben.
Update:Sehr interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Entwicklung bei der Custom-Firmware Magic-Lantern. Hier gibt es nun auch ein Modul zur automatischen Mikrofokus-Kalibrierung: DotTune AFMA. Beigelegenheit werde ich dazu noch einen Erfahrungsbericht veröffentlichen.
Ich habe gerade den AF-Sensor in der Mitte der 6d mit meinen beiden Tamron 45 und 85 eingestellt. Zum Sapss habe ich dann die Kamera verschoben um den jeweils äußersten AF-Sensor zu testen. Zu meinem Schrecken hat der eine Sensor leichten Frontfokus und der andere starken Backfocus. Muss / kann jeder Sensor eingestellt werden?
Das ist aber ein sehr untypisches Fehlerbild! Front- und Backfocus sollten eigentlich bei allen AF-Sensoren identisch sein. Falscher Fokus entsteht, wenn die von der Kamera ermittelte Entfernung, die zum Objektiv übertragen wird, nicht exakt den optischen Gegebenheiten entspricht. Ist dies sicher reproduzierbar? Ich hatte zumindest schon einmal das Problem, dass der Fokus eines AF-Sensors ingesamt unzuverlässig war. Dies lag an einer Staubverschmutzung auf dem Sensor und war nach dem Ausblasen des Bodys behoben.